Keine Umsatzsteuerbefreiung für Fahrschulunterricht
"Der Begriff des "Schul- und Hochschulunterrichts" umfasst nach einem Urteil des EuGH nicht Fahrunterricht, der im Hinblick auf den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kraftfahrzeuge der Klassen B und C1 erteilt wird. Eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG kommt daher nicht in Betracht.
Zwischen den Parteien war für das Streitjahr 2010 streitig, ob die von der Klägerin ausgeführten Fahrschulleistungen, die ihre Kunden zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B (Fahrzeuge mit zulässiger Gesamtmasse von nicht mehr als 3.500 kg und gebaut und ausgelegt zur Beförderung von nicht mehr als 8 Personen außer dem Fahrzeugführer) und Cl (Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3.500 kg aber nicht mehr als 7.500 kg und gebaut und ausgelegt zur Beförderung von nicht mehr als 8 Personen außer dem Fahrzeugführer) in Anspruch genommen haben, nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL steuerfrei sind. Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH eine Fahrschule. In den von ihr ausgestellten Rechnungen wies sie keine Umsatzsteuer gesondert aus. Für das Streitjahr erklärte sie zunächst steuerpflichtige Umsätze. Im Dezember 2014 beantragte die Klägerin, die USt auf 0 EUR herabzusetzen. Das FA lehnte den Antrag ab.
Finanzgericht: Fahrerlaubnis nicht als Anerkennungsnachweis als berufsbildende Einrichtung
Das Niedersächsische FG hatte im Wesentlichen entschieden, eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG komme nicht in Betracht, weil bei den hier streitigen Leistungen im Zusammenhang mit den Fahrerlaubnisklassen B und C1 die Fahrerlaubnis nicht als Anerkennungsnachweis als berufsbildende Einrichtung in Betracht komme. Die Befreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG scheitere bereits daran, dass die Klägerin ihre Leistungen unmittelbar an ihre Schüler und nicht an die genannten Einrichtungen erbringe. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL berufen. Die einheitliche Leistung der Klägerin bestehe aus der theoretischen Schulung und dem praktischen Fahrunterricht. Dabei handele es sich nicht um Schul- oder Hochschulunterricht, weil der praktische Fahrunterricht nach der im Streitjahr 2010 geltenden Empfehlung zur Verkehrserziehung in der Schule (…) weder erforderlicher noch wünschenswerter Bestandteil des Schul- oder Hochschulunterrichts sei.
Leitbild des Befreiungstatbestands
Das vorliegende Urteil zeigt, dass andere objektive Kriterien für die Abgrenzung der befreiten von den nicht befreiten Unterrichtsleistungen gelten müssen. Wenn man die verschiedenen Fallgruppen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL in ihrer Gesamtheit betrachtet, wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Leistungen des staatlichen Bildungssystems vor Augen hatte. So wird der Begriff "Unterricht" nicht als allgemeiner Oberbegriff genannt. Vielmehr wird Schul- und Hochschulunterricht aufgeführt – dies im Kontext mit der Erziehung von Kindern und Jugendlichen und der beruflichen Aus- und Fortbildung. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL stellt dabei in erster Linie auf die Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts ab, denen entsprechende Bildungsaufgaben übertragen worden sind. Andere Einrichtungen werden ihnen gleichgestellt, wenn sie eine vergleichbare Zielsetzung verfolgen. Damit wird das Angebot des öffentlich-rechtlichen Bildungssystems zum Leitbild des Befreiungstatbestands. Dies steht im Einklang mit der Gemeinwohlorientierung aller Befreiungen nach Art. 132 MwStSystRL. Die Ausgestaltung des Bildungssystems und der Unterrichtsinhalte obliegt den einzelnen Mitgliedstaaten. Der EuGH hat vorliegend nochmals bestätigt, dass der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts einen autonomen unionsrechtlichen Begriff darstellt, der in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen ist, und nicht vom konkreten nationalen Unterrichtssystem oder nationalen Recht abhängen kann.(…) Öffentliche Bildungseinrichtungen im Bereich der Schul- und Hochschulunterrichts erfüllen danach den staatlichen Auftrag, für die Allgemeinheit geeignete Bildungsangebote bereitzustellen."
Quelle: https://www.haufe.de/steuern/rechtsprechung/umsatzsteuerpflicht-bei-fahrschulen-zweifelhaft_166_420224.html, Stand: 18.09.2019